7. The North Face Ultra Trail Mont Blanc (UTMB) 2009

UTMB® : etwa 166 km und 9400 Höhenmeter, max. 46 Stunden
Start Freitag, 28. August 18:30 im Stadtzentrum von Chamonix.

Volker Schillings hatte uns auf dem Trail an der röm. Weinstr. begleitet. Nun hat er den UTMB gefinisht in einer sagenhaften Zeit von 33:36 Std.

Ich freue mich hier nun seinen Bericht zu veröffentlichen:

Der „Ultra Trail du Mont Blanc“ ist das Mekka eines jeden Ultra Bergläufers. So auch für mich. Auch wenn meine Läuferkarriere recht kurz ist, spukt seit einiger Zeit der Mythos UTMB in meinem Kopf herum. Um an diesem Lauf teilnehmen zu können, muss jeder Läufer eine Qualifikation in Form von Vorbereitungsläufen nachweisen. Für das Jahr 2009 wurde die Qualifikationshürde noch einmal angehoben. Aus gutem Grund, denn 60 Prozent DNF (did not finnished) Quote ist recht hoch.
Die bloßen Daten und Fakten des Laufs sind für viele gestandene Läufer Respekt einflößend:
166 km Distanz bei 9400 m positiver und 9400 m negativer Steigung über insgesamt 10 Berge sind zu bewältigen. Der Lauf führt um das komplette Mont Blanc Massiv durch die Länder Frankreich, Italien und Schweiz. Dabei werden verschiedene Strecken angeboten, wobei der UTMB mit seinen 166 langen und strapaziösen Kilometern als der Klassiker angesehen wird. Auf dieser Strecke treten 2300 Läufer aus weit über 60 verschiedenen Ländern an. Aufgrund der Vielzahl der verschiedensten Teilnehmern und seiner unbegreiflichen Atmosphäre, stellt der Ultra Trail du Mont Blanc im Großraum des Mont Blanc Massivs das Großereignis schlecht hin dar.
Freitag, der 28. August 2009. Die Tag des Laufes. Ich habe äußerst schlecht geschlafen. Die Aufregung ist mir sichtlich anzuerkennen. Auch wenn man es nicht machen sollte, aber meinen Rucksack und den Beutel für Courmayeur (große Zwischenstation bei KM78 und die Möglichkeit das Equipement zu wechseln) packe ich erst jetzt. Zu meiner Ausrüstung gehört ein Laufrucksack, Teleskopstöcke (unbedingt notwendig!), eine Trinkblase mit 1,5 Liter Wasser sowie die Pflichtausrüstung (2 gute Lampen, Überlebensdecke, Trillerpfeife, Ausweis, Verbandsmaterial, Nahrung, Handy, wasserundurchlässige Jacke und eine mind. ¾ Hose, welche ich den gesamten Lauf über trage). Weiterhin habe ich Tape (für schlimme Blasen und sonstiges), eine Glukosemischung mit Sacharose (für Unterzuckerung!) und Armlinge dabei. Das Gewicht habe ich nicht gemessen, sollte aber bestimmt locker drei Kilo gewesen sein.
Bereits eine Stunde vor dem Start befinden sich die meisten Läufer im Startbereich. Die Veranstalter peitschen mit Darbietungen und Livemusik die Menschenmengen an.
Wenige Augenblicke vor dem Start
Kurz vor 18:30 Uhr beginnt wie jedes Jahr die Startmusik mit Conquest of Paradise. Bereits jetzt rollen bei einigen Teilnehmern die ersten Tränen. Der lauthals geschrieene Countdown besiegelt die nächsten Tage und Stunden: Der Lauf beginnt!
Langsam beginnt sich eine riesige Läuferschlange zu formen, welche sich durch die engen Gassen von Chamonix schlängelt. Tausende von Zuschauern feuern einen dabei an. Spätestens zum Ortsausgang von Chamonix hat jeder Läufer einmal Gänsehaut bekommen.
Die ersten acht Kilometer bis zur Verpflegungsstation „Les Houches“ beginnen locker. Einige knackige Anstiege sind dabei, welche auf dem Streckenprofil gar nicht als solche zu erkennen waren und nichts Gutes verheißen lassen.
Nach der ersten Verpflegungsstation geht es in den ersten größeren Anstieg. Ziel ist der Gipfel eines Skigebiets auf 1800 Meter Höhe. Hierbei sind ca. 800 Meter Höhenunterschied am Stück zu bewältigen. Der Weg führt über sehr steile Waldwege nach oben. Die Sonnenuntergangsstimmung zeigt den Mont Blanc von seiner schönsten Seite.
Beim ersten Anstieg habe ich Christian, einen befreundeten Läufer, aus den Augen verloren. Bereits am ersten Berg haben sich einige Sportler übergeben müssen und haben damit teilweise ihr Rennen schon beenden müssen. Bei den ersten Bergen ist es immens wichtig nicht sein ganzes Pulver direkt am Anfang zu verfeuern, denn vor uns liegen noch neun weit aus anspruchsvollere Berge.
Glücklicherweise treffe ich Christian beim Bergablaufen wieder. Dank meines Läuferfreunds Alex scheint mir das Bergablaufen weit aus einfacher zu fallen als den anderen. Ab diesem Zeitpunkt werden Christian und ich die gesamte Strecke zusammen laufen.
Nach Kilometer 21 und ca. 2 Stunden und 40 Minuten liegen Christian und ich an Position 745.
Bei Kilometer 35 passieren wir die Notre Dame Gorge, welche in der Dunkelheit eindrucksvoll beleuchtet wird. Hier geht es zum ersten mal richtig zur Sache, als fast 1500 Meter Anstieg am Stück bewältigt werden müssen. Entlang des steilen Anstiegs flankieren Fackeln und Zuschauer den Weg. Es ist bereits mitten in der Nacht und eine endlose Schlange bestehend aus Stirnlampen windet sich den Berg hinauf.
Ab einer Höhe von ca. 2000 Meter ist der Nebel derart dicht, dass man Mühe hat bis zu den eigenen Füßen zu sehen. Hier bin ich froh, dass das Feld noch recht dicht beieinander liegt. Eine Orientierung ohne  Mitläufer wäre sehr schwierig. Später habe ich erfahren, dass sich viele Läufer darunter auch Lizzy Hawker verlaufen haben.
Die Strecke scheint mit jedem Kilometer anspruchsvoller zu werden. Gegen 4:30 Uhr sind wir kurz vor der italienischen Grenze. Der Aufstieg auf Col de la Selgne ist aufgrund des Nebels und der Beschaffenheit des Weges sehr anspruchsvoll. Doch mit Passieren des Gipfels betreten wir endlich italienischen Boden.
Auf der italienischen Seite des Bergs fällt die Temperatur schlagartig. Es sind nun nur noch ca. 0°C und es pfeift ein heftiger Wind. Viele Läufe werden an dieser Stelle böse überrascht. Auch wir ziehen uns zitternd die Regenjacke an, bevor es weitergehen kann.
Die eindrucksvollen Bergkulissen von Lac Combal bleiben uns verborgen, da wir zum Einen sehr schnell unterwegs sind und zum Anderen es zu diesem Zeitpunkt noch sehr dunkel ist.
Um 7:13 Uhr erreichen wir endlich Col Chécrouit, wo uns ein atemberaubendes Panorama aus mystischen Bergketten im Morgengrauen und exotischen Tänzerinnen (nein, noch keine Halluzinationen...) erwartet. Zu diesem Zeitpunkt haben wir bereits ca. 350  Positionen gut gemacht. 

 Jetzt liegt nur noch ein Abstieg nach Courmayeur vor uns, welcher es aber richtig in sich haben soll. Es gilt 1000 Höhenmeter am Stück steil bergab zu „vernichten“. Schade, dass man sehr viel an Höhe nicht ablaufen kann, sondern teilweise „abklettern“ muss.
In Courmayeur angekommen, werden uns ohne Probleme die Beutel mit Wechselkleidung gereicht. In einer großen Turnhalle bleibt dann ein bisschen Zeit, um sich von den Strapazen der Nacht zu erholen und sich für den zweiten Teil der Strecke frisch zu machen. In meinem Beutel habe ich unter anderem ein zweites Paar Schuhe hinterlegt. Allerdings bin ich mit meinen La Sportiva Speedlite sehr zufrieden und wechsel dann doch nicht. Das Einzige, was ich mir in Courmayeur gönne, ist ein frisches T-Shirt. Nach einer kurzen Erholung geht es jetzt weiter in Richtung Ziel! ;-)
Der Anstieg hinter Courmayer lässt einen die kurze Erholung von Courmayeur sofort wieder vergessen. Das erste Zwischenziel ist hierbei Bertone, ab dem wir einige Kilometer auf 2000 Meter Höhe laufen. Dort oben wird Thomas, ein Läufer aus Jena,  unser Zweierteam für einige Stunden erweitern.

Jetzt als Dreierteam unterwegs: Christian, Thomas und Volker (von links)
Gegen Mittag treffen wir bei Kilometer 94 in Arnuva ein. Der nachfolgende Anstieg auf über 2500 Meter zum Gipfel des Grand Col Ferret lässt uns anschließend die Grenze zur Schweiz passieren. Jetzt liegen nur noch lächerliche 67 km vor uns. Sehr interessant, dass ich bereits zu diesem Zeitpunkt die Zielluft schnuppern kann. Es besteht kein Zweifel, dass ich diesen Lauf erfolgreich beenden werde. Leider wird beim Abstieg unsere Dreiergruppe wieder auf zwei dezimiert. Thomas hat sich dazu entschlossen, das Tempo ein wenig zu reduzieren. Christian und ich sind wieder auf uns alleine gestellt.
Viertel vor sechs kommen wir schließlich in Champex-Lac an und haben uns zu diesem Zeitpunkt bereits auf Platz 270 vorgearbeitet. Bereits hier treffen wir immer seltener auf Läufer. Es gilt also um so mehr auf den Weg zu achten. Nach einer kurzen Pause und Verpflegung geht es dann in Richtung Chamonix. Wir müssen nur noch die lächerliche Distanz eines Marathons bewältigen. Vielleicht sollte ich erwähnen, dass binnen dieses Marathons die drei heftigsten Berge des Laufes zu absolvieren sind. Die Vorahnung über die drei letzten Berge werden im laufe der nächsten Stunden bestätigt. Nicht nur, weil es die letzten sind...
Besonders der Aufstieg zu Bovine kostet viel Kraft. Er besteht aus riesigen Felsen, die man schon fast hochklettern muss. Die Mühe wird allerdings mit einem traumhaften Ausblick auf das Zentralmassiv der Alpen belohnt. Man kann ohne Probleme Eiger, Mönch und Jungfrau sehen.
Bei Kilometer 138 erreichen wir beide Trient. Zu diesem Zeitpunkt ist es bereits wieder dunkel und wir müssen „nur“ noch zwei weitere Berge überstehen. Die zweite Nacht ist bei vielen Läufern gefürchtet, da es sehr häufig zu Halluzinationen aufgrund des Schlafmangels kommt. Christian und mir bleibt dies zum Glück erspart. Wir sehen keine Frösche und Unterhosen ;-) . Meine Erfahrung ist, dass die Fantasie, oder vielleicht positiv ausgedrückt, die Kreativität ausgeprägter wird. Bis heute weiß ich leider nicht, ob ein Schnitzkünstler einen Dinosaurier aus einem abgebrochenen Baum modelliert hat, oder ob es nur Einbildung war. Das Merkwürdige ist, dass wir beide diesen Dinosaurier gesehen haben. Das wird wahrscheinlich niemals geklärt.
Zusammenfassend: Die zwei letzten Berge sind unglaublich brutal. Gerade der letzte Berg „Tete aux Vents“ fordert das letzte aus einem. Nicht ohne Grund trägt dieser Berg seinen Namen. Riesige Geröllfelder bei heftigem Wind müssen wir vor dem letzten Abstieg nach Chamonix absolvieren. Bei der letzten Verpflegung in La Flegere wird uns verkündet, dass es nur noch sieben Kilometer bis Chamonix seien. Ein Kilometer Geröll mit Berg auf und ab und danach nur noch ins Tal runter.
Nach dem besagten Kilometer sprechen Christian und ich uns noch einmal kurz ab und schon geht’s in einem, im nachhinein, unglaublichen Tempo ins Tal. Allein auf diesem Abschnitt lassen wir zahlreiche Läufer hinter uns. Die sechs Kilometer ziehen sich jedoch bis Chamonix wie ein Kaugummi. Als wir dann aber das Stadtschild passieren, steigt der Adrenalinspiegel bis auf den maximalen Pegel. Leider ist es mitten in der Nacht und dementsprechend wenige Zuschauer am Ziel. Das ist uns jedoch egal. Wir wollen nur noch ins Ziel und ins warme Bett. Die Kälte nachts in den Bergen hat mir jedenfalls stark beigesetzt.
Im Ziel werden wir von Frau Polletti persönlich in Empfang genommen. Nach insgesamt 33 Stunden und 36 Minuten ist unser gemeinsames Laufabenteuer beendet. Insgesamt haben wir uns stetig bis auf Platz 199/200 vorgearbeitet. Ein bisschen stolz bin ich natürlich auf die Zeit, zumal es mein erster UTMB war. Christian hat sich um unglaubliche 10 Stunden verbessert. Ich denke aber, dass es jedoch mein letzter UTMB war. Auch wenn ich vielleicht hier die absolute körperliche und psychische Grenze nicht erreicht habe, ist die Erkenntnis geblieben, diese besser nicht weiter auszutesten. Es war ein Erlebnis der besonderen Art und soll genauso auch in Erinnerung bleiben.
 
Christian und ich glücklich im Ziel.
Die Zeit und Energie für die Vorbereitung und den Lauf an sich kosten einfach sehr viel. In jeder Hinsicht...
Zusammenfassend kann ich sagen, dass der Ultra Trail du Mont Blanc ein fantastisch organisiertes Rennen ist. Hinsichtlich der Organisation und auch Durchführung bleiben keine Wünsche offen. Die Verpflegung ist nahezu optimal. Die Stimmung beim Start, während des Laufs und auch im Ziel ist unbeschreibbar gut. Für die Teilnahme am Lauf ist eine ernsthafte und zeitraubende Vorbereitung notwendig.
Wer Tipps zur Vorbereitung, zum Lauf selber oder zur Ausrüstung benötigt, kann mich gerne per Email  erreichen.

Ich verneige mich in Ehrfurcht vor Volker und allen die dieses Rennen bestritten haben.

Kommentare

  1. Schöner Bericht, auch wenn er nicht zeigt wie anstrengend es wohl ist.
    Danke fürs Veröffentlichen!

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  2. Stimmt, vielleicht hätte ich das besser darstellen müssen. Die Anstrengungen erlebt jeder anders bei dem Lauf. Zwingend notwendig ist eine fundierte Vorbereitung. Mit dieser Grundlage ist der Lauf auf jeden Fall zu schaffen. Durch die Nachtpassagen und die schwierige Wegstrecke bleibt keine Zeit zum "Jammern". Es war keine Sekunde langweilig oder zu anstrengend. Schön ist es, wenn man diesen Lauf zu zweit machen kann. Aber das ist aufgrund der langen Strecke und des Profils sehr selten, dass man einen ebenbürtigen Läuferfreund hat. Vielen Dank und Grüße an der Stelle noch einmal an Christian!

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  3. Hallo Volker,
    nun hast du dein Ziel doch noch erreichen können :-)!!! Herzlichen Glückwunsch!!!
    Viele Grüße
    Christine aus Bs ;-)

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